Ein wichtiger Teil der chinesischen Alltagskultur ist das Verhindern des Verlierens des Gesichts. Das betrifft nicht nur das eigene sondern auch das Gesicht von Geschäftspartnern, Bekannten und Freunden. Jemanden in China bloß zu stellen oder dazu beizutragen, dass das Gegenüber in eine peinliche Situation gerät, muss also verhindert werden. Für uns Deutsche, die mit solchen Situationen gut leben können, ist das manchmal sehr verwunderlich.
Wie sieht das Verhindern des Gesichtsverlierens in der Praxis aus? Zum Beispiel waren wir mit Chinesen essen. Noch ganz durchgefroren von der Wanderung freute ich mich im Restaurant auf die Kanne grünen Tee. Auf dem Tisch erwartete uns das hier übliche in Plastik eingeschweißte Ess-Set bestehend aus einem Teller, einer kleinen Suppenschüssel mit Löffel und zwei Bechern- einem großen und einem kleinen (bestimmte Unternehmen holen das schmutzige Geschirr in den Restaurants ab, waschen es und schweißen es in Plastik wieder ein, um es an die Restaurants auszuliefern. )
Also goss ich mir den Tee in den großen Becher ein, wurde aber daraufhin gleich von C.s deutschem Chef darauf hingewiesen, dass ich meinen Tee soeben in den Bierbecher gegossen hatte. Für den Tee ist nämlich der kleine Becher bestimmt. Das weiß hier jedes Kind. Aber was taten die Chinesen? Jeder griff nach der Teekanne und goss sich an diesem Tag den Tee ins Bierglas ein. Damit hatten sie mein Gesicht gewahrt und hätte mich der Deutsche nicht aufgeklärt, hätte ich nie gemerkt, dass ich in einer peinlichen Situation war. Das Bier wurde übrigens später aus der Flasche getrunken.
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